- Physiknobelpreis 1947: Edward Victor Appleton
- Physiknobelpreis 1947: Edward Victor AppletonDer Engländer wurde für seine Untersuchungen zur Physik der oberen Atmosphäre, insbesondere für die Entdeckung der so genannten Appletonschicht geehrt.Sir (seit 1941) Edward Victor Appleton, * Bradford 6. 9. 1892, ✝ Edinburgh 21. 4. 1965; 1924-36 Professor für Physik an der University of London, 1936-39 in Cambridge, ab 1949 in Edinburgh. Er zeigte die Wichtigkeit der Ionosphäre für meteorologische, astronomische und funktechnische Fragen und war wesentlich an der Entwicklung der Radarortung von Flugzeugen beteiligt.Würdigung der preisgekrönten LeistungAls Heinrich Hertz mit seinem Funkensender 1886 elektromagnetische Wellen erzeugt hatte, war der Weg grundsätzlich frei, die Funktechnik zu entwickeln. Georg Graf von Arco und Adolf Karl Heinrich Slaby errichteten 1897 bei Berlin die erste drahtlose Nachrichtenverbindung. Der Italiener Guglielmo Marconi (Nobelpreis 1909) sandte zwei Jahre später Nachrichten per Funk bereits über den Ärmelkanal. Karl Ferdinand Braun (Nobelpreis 1909) legte den Grundstein für die weltumspannende drahtlose Kommunikation durch die Verbesserung von Sender und Empfänger. Von da an nahm die Rundfunktechnik ihren unaufhaltsamen Aufstieg.Kurzwellen sind besser als ihr RufDie Erschließung des elektromagnetischen Wellenspektrums schritt rasch voran, immer mehr Kanäle wurden benötigt. Die ersten Rundfunksender nutzten den Mittelwellenbereich mit Wellenlängen zwischen 184 und 580 Meter (1630 bis 515 Kilohertz). Doch die Frequenzkanäle wurden rasch knapp, da für jeden Kanal eine bestimmte Bandbreite benötigt wurde. Wird beispielsweise die 1000-Kilohertz-Trägerfrequenz mit 0-20 Kilohertz, was dem hörbaren Bereich entspricht, moduliert, dann strahlt sie Frequenzen zwischen 1020 und 980 Kilohertz ab. Die Bandbreite von 40 Kilohertz begrenzte die Zahl der Kanäle. Mittelwellen- und Langwellenspektrum waren bald überlastet. Deshalb wurde versucht, Kurzwellen mit Wellenlängen zwischen 51 und 18,7 Meter oder 5,9 und 16 Megahertz zu nutzen. Die Kurzwellen besaßen viele Vorteile. Ein entscheidender Nachteil war aber ihre geringe Reichweite. Merkwürdigerweise waren die Kurzwellensender auch nicht überall zu hören. In einem schmalen Bereich in der Nähe des Senders konnten sie empfangen werden. Dann folgte eine tote Zone, in der kein Signal zu hören war. Dahinter setzte der Empfang wieder ein. Aus diesen Gründen hielt man die Kurzwellen lange für ungeeignet, Nachrichten zu übertragen, und überließ die Frequenzen den Radiobastlern. 1924 überbrückten englische Funkamateure die größte auf der Erde mögliche Entfernung von London nach Neuseeland. Das lenkte das Interesse auf eine bereits 1902 von dem britisch-amerikanischen Elektroingenieur Arthur Edwin Kennelly und dem englischen Physiker Oliver Heaviside unabhängig voneinander gemachte Entdeckung. Durch funkentelegrafische Experimente hatten sie bemerkt, dass Langwellen in der Atmosphäre reflektiert werden. Die reflektierende Schicht (E-Schicht) wird deshalb auch Kennelly-Heaviside-Schicht genannt.Edward Appleton war die Wissenschaft nicht in die Wiege gelegt worden. Als Sohn eines Mühlenarbeiters wollte er ursprünglich Berufs-Cricketspieler werden. Doch 1919 gewährte ihm die Universität von Cambridge ein Stipendium. Von da an war sein Weg als Wissenschaftler vorgezeichnet. Während des Ersten Weltkriegs hatte er als Offizier einer nachrichtentechnischen Einheit die atmosphärischen Probleme der Funktechnik kennen gelernt. Gleich nach Ende des Kriegs begann er deshalb in Cambridge mit der Untersuchung der Ionosphäre. Um die seltsame Reflexion der Radiowellen zu erkunden, tastete er den Himmel mit Funkwellen ab. 1924 sandte er Radiowellen zu einem 200 km entfernten Empfänger. Dort kamen die Signale direkt als Bodenwelle und indirekt durch das Echo in der Atmosphäre an. Es bildete sich ein gleichschenkliges Dreieck zwischen Sender, Empfänger und Reflexionspunkt. Da Appleton die Entfernung zwischen Sender und Empfänger kannte, brauchte er nur die Strecke der reflektierten Wellen zu bestimmen, um die Höhe der Spiegelschicht berechnen zu können. Dazu musste man die Zeitspanne kennen, um die die Ionosphärenwelle später am Empfänger eintrifft als die Bodenwelle.Um sie herauszufinden, entwickelte Appleton die Frequenzvariationsmethode. Von Zeit zu Zeit änderte er die Frequenz des Senders kontinuierlich. Während der Periode der konstanten Ausgangsfrequenz kommen im Empfänger zwei Wellen gleicher Frequenz an. Unmittelbar nach einer Frequenzverschiebung trifft die Ionosphärenwelle im Empfänger auf eine Bodenwelle, die den Sender wegen ihres kürzeren Wegs später verlassen hat und deshalb eine etwas andere Frequenz besitzt. Die beiden Wellen überlagern sich. Durch das An- und Abschwellen der Amplitude entsteht eine so genannte Schwebung, wie sie auch zum Stimmen von Musikinstrumenten genutzt wird. Der Laufzeitunterschied zwischen Bodenwelle und Ionosphärenwelle ist nun gleich der Anzahl der Schwebungen, dividiert durch den Betrag der Frequenzänderungen.Mit dieser Methode identifizierte Appleton die E-Schicht mit Wellen zwischen 300 und 400 Meter Länge in 90 km Höhe. In der theoretischen Analyse der Ergebnisse verglich Appleton das Verhalten der Radiowellen mit dem von sichtbarem Licht an einem optischen dünnen Medium. Wie die Lichtwellen werden die Radiowellen entweder reflektiert oder sie durchdringen die Schicht. Nach der Theorie der kritischen Wellenlänge, die erreicht sein muss, um von der Reflexion zur Durchdringung überzugehen, gelang es Appleton, den Grad der Ionisierung verschiedener Atmosphärenschichten zu bestimmen.Vorläufer des RadarsDrei Jahre nach der Lokalisierung der E-Schicht entdeckte Appleton in 230 km Höhe die F-Schicht, die auch Appleton-Schicht genannt wird. Durch die wesentlich härtere Ultraviolettstrahlung in dieser Höhe reflektiert die F-Schicht stärker, da die enthaltenen Gase stärker ionisiert sind. Er konnte im Weiteren die Zweiteilung der Schicht während des Tages beweisen. Die F1-Schicht lokalisierte er in etwa 220 km Höhe, die F2-Schicht in etwa 350 km. Appleton zeigte, dass die F2 für die Radiokommunikation besonders wichtig ist, da hier die Ladungsdichte konstanter bleibt. Er entdeckte die direkte Abhängigkeit der unteren Schichten von der ultravioletten Sonnenstrahlung. 1934 war ein Jahr mit minimaler Sonnenaktivität, 1937 erreichte die Sonne maximale Aktivität. Appleton wies nach, dass in diesem Zeitraum die Intensität der ultravioletten Einstrahlung um 120 bis 150 Prozent zunahm. Gleichzeitig stieg die Ionisierungsrate um 50 bis 60 Prozent. Da im selben Zeitraum die Ultraviolettstrahlung auf der Erdoberfläche nahezu konstant blieb, war ersichtlich, dass sich Appletons Methode auch hervorragend zur Bestimmung der aktuellen Sonnenaktivität eignet. Appletons Forschungsergebnisse führten neben anderem direkt zur Entwicklung des Radars.U. Schulte
Universal-Lexikon. 2012.